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Tag für Tag ging ich in den Botanischen Garten der Universität, als ich für meine Diplom-Prüfungen zu lernen hatte. 14 Prüfungen in 16 Wochen verlangten von mir Selbstdisziplin und einen strukturierten Tagesablauf. Von April bis Juli drehte ich nach jedem Mittagessen in der Mensa eine Runde durch den Garten und konnte dabei beobachten, wie sich die Vegetation Woche für Woche entwickelte. Wie Knospen aufspringen, neue Zweige und Äste entstehen und Blüten sich entfalten. Schritt für Schritt durfte ich erleben, wie all die Bäume und Sträucher, Blumen und Bodendecker, Kräuter und Wasserpflanzen wachsen und reifen. In Knospen, Zwiebeln und Wurzeln steckt so viel Entwicklungspotenzial, das nur auf die passende Wärme und Helligkeit wartet.

Ich empfand dieses tägliche Ritual als unheimlich hilfreich, um die nicht enden wollende Zeit des Arbeitens und Lernens mit Farbtupfern zu versehen. Und es machte mir auch deutlich: Nach kalten Wintertagen, aber auch nach Krise und Belastung gibt es auch wieder Wachstum und bunte Vielfalt. Ja selbst in schweren Zeiten kann schon eine Kraft zum Aufbrechen und Aufblühen, zum Reifen und Ernten stecken. Ich muss nur aufmerksam sein und genau hinsehen und ich muss mir dafür manchmal ein wenig Zeit nehmen.

So manches Ritual gibt meinem Alltag eine hilfreiche Struktur. Es hilft mir, intensiver da zu sein und die Welt um mich herum bewusster wahrzunehmen. Und vielleicht lädt es mich auch dazu ein, aus der Routine und Trübsinn des Alltags auszubrechen und nach neuem Sinn und neuer Kraft Ausschau zu halten. Selbst in dunklen Tagen kann ich erkennen, wo Lichter für mich sind, selbst in düsteren Zeiten darf ich entdecken, wo Wachstum möglich ist, in der Starrheit erfahren, wo Aufbruch und Bewegung sein wollen, in den Prüfungen meines Lebens erschließen, wo neue Wege möglich sind. Wie wertvoll doch ein bewusstes Innehalten und Hinschauen, ein paar gewohnheitsmäßige Schritte und Bewegungen, ein kleiner Spaziergang, ein kurzer Besuch, eine Atemübung, ein Lied oder ein Gebet sein können. Nehmen Sie sich diese Zeit, denn das macht ihr Leben reicher und bunter!

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg

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