Sempre Avanti - Immer voran! - Zum Abschluss des Synodalen Weges in Deutschland
„So richtig zufrieden ist niemand“, resümierte Melanie Gierig, eine junge Teilnehmerin an den Synodalversammlungen des Synodalen Wegs. In einem Gastbeitrag für katholisch.de schrieb sie: „Zwischen enttäuschten Erwartungen, einem kämpferischen Blick in die Zukunft der Kirche und einer ungeduldigen Haltung Rom gegenüber ist ein Element verbindend: So richtig zufrieden ist niemand.“ Der Berliner Erzbischof Heiner Koch brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „Ergebnisse des Synodalen Wegs sind nicht schwarz und nicht weiß.“ Nach gut drei Jahren ist am vergangenen Wochenende dieses Gesprächsformat für eine strukturierte Debatte zu Ende gegangen. Mancherorts ist man nun vorsichtig euphorisch, andere wiederum haben am Samstag ernüchtert die letzte Versammlung in Frankfurt verlassen. Auf den gemeinsamen Weg wird und die Ergebnisse wird durchaus differenziert geblickt.
Kurienkardinal Kardinal Marc Ouellet sprach in einem Interview von „methodischen Mängeln“. Es sei ein Fehler gewesen, „die Meinung der Laien mit der der Bischöfe gleichzusetzen.“ Und auch Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke blickt kritisch zurück: Er berichtet, atmosphärisch seien die Sitzungen teils „frustrierend" gewesen. „Abweichler von der Mehrheitsmeinung wurden wieder einmal verbal geohrfeigt“, berichtete er in einem Beitrag auf der Eichstätter Bistumshomepage. Er nehme „viele Fragen aus Frankfurt mit, die mich nachdenklich und auch ratlos sein lassen“. Bemängelt wurde immer wieder die enge Taktung der Redebeiträge bzw. die mangelnde Zeit für die Behandlung schwieriger Fragen. Der Streit um die Geschäftsordnung konnte lähmen. Außerdem wurden die Debatten von teils unüberwindlichen Differenzen in der Deutschen Bischofskonferenz, von einigen Interventionen aus Rom sowie vom parallel laufenden Prozess der Weltsynode 2021—2024 begleitet. Manchenorts polarisierte der Synodale Weg mehr, als dass er die Gläubigen miteinander verbinden konnte. Bei einigen Bischöfen, vielen Priestern und zahlreichen Gläubigen stieß dieses Format bis zuletzt auf Vorbehalte, Kritik, Ablehnung und Unverständnis. In Predigten erntete der Synodale Weg, wenn er Beachtung fand, meist nur Kritik. Obwohl viele Menschen ihre Hoffnungen auf ein Gelingen setzten, spielte er in den Gebeten der Pfarrgemeinden und Gemeinschaften keinerlei Rolle. Und es fehlte schließlich generell die Rückbindung an das kirchliche Leben vor Ort. Der Synodale Weg sei ein „Konstrukt ohne Unterbau gewesen“, gab Eichstätts Diözesanratsvorsitzender Christian Gärtner zu.
War also alles umsonst? Wurde durch dieses Format mehr kaputtgemacht als bewirkt? Wir sollten ehrlich sein: Vor einer Überfrachtung mit Ansprüchen und Erwartungen wurde immer gewarnt. Wer tatsächlich glaubte, mit Hilfe des Synodalen Weges die Abschaffung des Pflichtzölibats, die Weihe von Frauen oder die Entmachtung von Bischöfen durchsetzen zu können, war blauäugig und naiv. Ebenso unredlich waren diejenigen, die genau dies den reformorientierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern unterstellten. Es war von vornherein klar, dass manches Gesprächs- und Abstimmungsergebnis wegen fehlender Zuständigkeit nur als ein Signal an die Weltkirche verstanden werden konnte. Jedem und jeder war klar, dass man mit ein paar Versammlungen in Frankfurt und andernorts nicht die gesamte katholische Kirche reformieren könne. Manch pointierte Zuspitzung durch die Medien – hopp oder top, Wende zum Guten oder Katastrophe – war dabei sicherlich kontraproduktiv.
Wer anfangs vorsichtig war und realistische Erwartungen formulierte, den kann es nun nicht überraschen, dass in den verabschiedeten Papieren viele Kompromisse und Minimalforderungen zu finden sind. Doch es sind Texte entstanden, die durchaus Tiefgang haben und von einem intensiven Ringen zeugen. Ohnehin meint Synodalität ja nicht einfach Parlamentarismus: Es geht ums Kennenlernen, ums das Wahrnehmen und Zuhören, um das Beten und Singen, das Nachdenken und Meditieren, um gemeinsames Essen und Feiern –
und weniger darum, Abstimmungen zu gewinnen. Vor allem die vielen persönlichen Begegnungen und das Miteinander auf Augenhöhe waren es, die diesen Weg auszeichneten, wenn man den Schilderungen vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer glauben darf. Ist nicht alleine schon darin das Wirken des Heiligen Geistes zu spüren gewesen?
Das Format muss also weiter dringend weiterentwickelt werden. In den nächsten Jahren müssen etwa die kirchenrechtlichen Bestimmungen für Synoden und synodale Elemente verfeinert werden. Außerdem gilt es der Frage nachzugehen, wie ein Mandat auszuüben ist: Vertritt jemand sein Bistum, seine Gemeinschaft, seinen Verband, seine Einrichtung und muss dafür sorgen, dass die Erfahrungen und Sichtweisen der entsendenden Organisation berücksichtigt werden? Dann dürften Synodale Prozesse künftig kein „Konstrukt ohne Unterbau“ mehr sein. Oder entscheiden die Synodalen in Diskussionen und Entscheidungen nach ihrem Gewissen und verfolgen dabei auch bestimmte theologische und kirchenpolitische Standpunkte? Dann müssten Minderheiten auch das Votum der Mehrheit akzeptieren und nach Abstimmungsniederlagen nicht jedes Mal in Rom um eine Intervention ersuchen. Gearbeitet muss aber wohl offensichtlich noch an der Gespräch- und Debattenkultur, an der Wertschätzung für andere Positionen und am Umgang mit der Meinungsvielfalt.
Die Erfahrungen aus Deutschland können nun auch in die Weltsynode eingebracht werden: „Prüft alles und behaltet das Gute!“ – so formulierte es einmal der Apostel Paulus. Es gibt in dieser Weltkirche kein Handbuch für synodale Prozesse und nur wenig Vorerfahrung in der Synodalität. „Methodische Mängel“, wie sie Kardinal Ouellet kritisierte, gehören zu solchen Aufbrüchen wohl dazu. Es geht vor allem darum, aus den synodalen Schritten bei uns in Deutschland zu lernen. Der Weg muss und wird nun weitergehen. Es ist gut, dass darum gerungen und gestritten wird. Schließlich sind wir ein pilgerndes Gottesvolk, das seinen Weg durch die Zeit stets neu finden muss. „Zukunft entsteht beim Gehen“, hat es Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke auf den Punkt gebracht, als es um den Auftrag zur Erstellung von Pastoralkonzepten in unserer Diözese ging. Dass Kirche dabei manchmal ziemlich „verbeult“ aussehen kann, wie es Papst Franziskus einmal formulierte, darf uns nicht daran hindern, den Weg fortzusetzen – im gemeinsamen Vertrauen auf Gottes heiligen und lebendigen Geist. Also: Sempre avanti!
Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg
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