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09.02.2023

Wer ist Gott? - Gedanken zur Erdbebenkatastrophe in Syrien und der Türkei

Foto: pixabay

Noch Tage später wird ein kleines Kind aus den Trümmern eines Hauses gerettet. Die Freude seines Vaters, der bei der Rettung mithalf, war riesengroß. Das ganze Dorf freute sich mit. Obwohl es in diesem Fall gut endete, ging mir die Berichterstattung über das Erdbeben in der Türkei und Syrien sehr nahe und bedrückte mich. Ein erwachsener Mann berichtete dem Reporter tränenüberströmt, dass er keine Familie mehr habe. Elf Personen seien bei der Katastrophe ums Leben gekommen. Und ein Mann in Syrien sagt: "Elf Jahre Bürgerkrieg waren nicht so schlimm wie eineinhalb Minuten Erdbeben."   

Wie kann Gott so etwas zulassen? So fragen Menschen, seit es den Glauben an einen Gott gibt, der alles erschaffen haben soll und angeblich gütig und allmächtig  ist. Und auch bei dieser aktuellen  Katastrophe, die zehntausende Menschenleben auslöschte, drängt sich mir diese Frage wieder auf. Sicherlich:  Beobachter und Kritiker sprechen von mangelnder Gebäudesicherheit, verheerendem Krisenmanagament und eklatanten Staatsversagen. Baumängel wurden in Kauf genommen, es wurde zu wenig in den Erdbeben- und Katatsrophenschutz investiert, Profitgier und Korruption waren stärker als die Verantwortung für Menschenleben. Tage nach dem Erdbeben erkennt man neben akuter Hilfe und weltweiter Solidarität mit den Opfern auch menschliches Versagen in großem Ausmaß. Doch dies nicht kann darüber hinwegtäuschen, dass unsere Erde so ist, wie sie ist: Dass die Erdoberfläche aus unterschiedlichen Platten besteht, die in einigen Regionen der Welt aufeinanderstoßen. Wird durch die Reibung der Druck zu groß oder verkeilen sich zwei Platten ineinander, entlädt sich die Wucht in einem Beben.  Diese Platten schwimmen wie Eisschollen auf dem flüssigen Inneren der Erde. Hat Gott keine bessere Erde schaffen können? War es wirklich die beste Welt, die er hinbekommen hat? Ist tatsächlich "alles gut", wie es im biblischen Schöpfungsbericht heißt?

Oder wollte dieser Gott bewusst keine perfekte Welt, in der alles glückt und gelingt, die ohne Qual und Leiden ist? Vielleicht ging es ihm ja darum,  eine Entwicklung loszutreten, die zum Wahren und Guten führt und den Umweg von Katastrophen, Krankheit und Sterben in Kauf nimmt. Es könnte sein, dass er ein großer Pädagoge ist, der seine Geschöpfe lernen und immer besser werden lässt. Erdbeben können so vielleicht als Strafe für menschliches Fehlverhalten, zumindest aber als Prüfung für die Menschheit verstanden werden. Oder vielleicht greifen hier auch die Argumente der Religionskritiker: Gott ist bloß eine Illusion, eine Projektion deiner Sehnsüchte und Wünsche oder ein Produkt deines Gehirns.

Vieles bleibt spekulativ. All diese Antworten können mich nicht restlos überzeugen. Eine solche Katatrophe mit abertausenden Toten macht mich als Theologen zumindest demütig. Ist dieser Gott tatsächlich so, wie ich ihn mir immer vorstell(t)e? Wie kann man richtig und angemessen von ihm und mit ihm sprechen? In Gebet und Gottesdienst tragen wir ja oft die Vorstellung von einem lieben, barmherzigen und gerechten Gott vor uns her. Wir beten gerne und viel für uns und andere und wissen dabei schon ganz genau, was der gute Gott uns geben soll: eine gerechte Welt, eine gute Gemeinschaft, ewiges Seelenheil für die Verstorbenen, Trost und Hoffnung für Verzweifelte, das rechte Herz für den Gottesdienst oder ein ihm gefälliges Leben. Sind aber jemals alle unsere Bitten erhört worden? Man könnte sagen: Vielleicht haben wir nicht genug oder richtig gebetet. Bei jeder Eucharistiefeier danken wir außerdem Gott für seine Heilstaten und die Erlösung, die er uns bereitet hat. Wir danken gemeinschaftlich für zurückliegende Schul-, Arbeits- oder Kalenderjahr, für die Arbeit von Mitarbeitern, für Dinge, die geglückt und gelungen sind, für die Früchte der Erde, für das tägliche Brot. Aber was ist mit denen, die an einer schweren Krankeit leiden, die über den Tod eines lieben Menschen nicht hinweg kommen, die keine Arbeit haben und mutlos sind, die Tag für Tag hungern müssen oder die ausgebeutet werden? Hat ihnen "der liebe Gott" nicht helfen können?

Wir Theologen sollten vorsichtig sein, wenn wir von Gott sprechen. Wir sollten uns gut überlegen, wie wir unsere Gebete formulieren, wenn wir unseren Dank und unsere Bitten ausdrücken möchten. Es sollte auch Platz für unseren Zweifel, unsere Klage und unsere Kritik sein. Für jeden und jede von uns bedeutet das, was wir als "Gott" bezeichnen etwas anderes. Auch im Laufe unseres Lebens verändert sich unsere Beziehung zu Gott. Wie schwer es doch ist, den Glauben in ewig gültige Worte zu packen, in einfachen Sätzen und Bildern darzustellen oder in allgemeingültige Regeln zu gießen! Ob ein System aus liturgischer Praxis und moralischer Unterweisung dem großen Geheimnis Gottes wirklich gerecht werden kann?   

Für mich ist mein Glaube vor allem Hoffen: Nicht dass Gott mich erzieht, reinigt oder straft, sondern dass er alles vollendet, was ich mit Liebe begonnen habe, aber nicht schaffen konnte. Auch wenn ich nicht alles verstehe, nachvollziehen und erklären kann, wenn ich an meine Grenzen stoße – Gott ist für mich da: Als Einladung, als Wegbegleiter, aber auch als provozierender Stachel, als herausfordernde Provokation, als geheimnisvolles Rätsel mein ganzes Leben lang.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg

 

 

 

 

Die nächsten Termine

Freitag, 26. April
Bildungs- und Familienwochenende: Eine Einladung zum generationsübergreifenden Treffen
Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter: Referat Ehe und Familie im Bistum Eichstätt
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Sonntag, 28. April
10.00 Uhr
Montag, 29. April
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„Kirche in der Welt von heute“: „Tag der Diakonin“
Ort: Wallfahrtskirche Mariä Namen - Trautmannshofen
Veranstalter: Katholischer Deutscher Frauenbund (KDFB) im Bistum Eichstätt
20.00 Uhr
Wegweisung - Stärkung - Halt - Bibel teilen
Veranstalter: Pfarrei St. Johannes Neumarkt
Mittwoch, 01. Mai
10.00 Uhr
FUßSTERNWALLFAHRT ZUM EICHLBERG
Veranstalter: Pfarrverband Seubersdorf
Samstag, 04. Mai
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Sonntag, 05. Mai
09.30 Uhr
Nachprimiz in Berching von Thomas Büttel
Veranstalter: Pfarrei Berching
17.00 Uhr
Zum Glück gibt es Wege - Anselm Grün & Clemens Bittlinger
Ort: Pfarrheim St. Elisabeth Postbauer-Heng
Veranstalter: Pfarrei Postbauer-Heng
18.00 Uhr
ALLEIN UND GELASSEN - Abendmesse
Ort: Münster St. Johannes Neumarkt
Veranstalter: Pfarrei St. Johannes Neumarkt
Montag, 06. Mai
19.00 Uhr
Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Ecclesia Neumarkt
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Samstag, 11. Mai
09.30 Uhr
14.30 Uhr
Diözesaner Kinderchortag
Veranstalter: Stabsstelle Amt für Kirchenmusik
Sonntag, 12. Mai
19.00 Uhr
Ökumenischer Gedenkgottesdienst für die im Klinikum Verstorbenen
Ort: Klinikkapelle Neumarkt
Veranstalter: Klinikseelsorge Neumarkt
19.30 Uhr
Benefizkonzert mit Wolfgang Buck - "Visäwie"
Ort: Evangelische Christuskirche Neumarkt
Veranstalter: Evangelische Kirchengemeinde Neumarkt