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17.02.2023

"Zur Quelle werden" - Ein Kommentar zur Synodalität in der katholischen Kirche

Foto: pixabay

„Der Sinkflug der katholischen Kirche ist nicht aufzuhalten“, sagte neulich ein 72-jähriger Pfarrer aus Heidelberg, der in den Ruhestand trat. "Kirche im freien Fall" – so titeln Zeitungen und Internet-Blogs. Andere formulieren es so: "Kirche zerlegt sich gerade selbst." Auch in unserer Schafkopfrunde haben wir neulich darüber gesprochen. Zwei von uns sind bei der katholischen Kirche beschäftigt, und alle vier waren und sind wir schon seit Jahrzehnten als (Ober-)Ministranten, Jugendleiter, Lektoren, Kantoren, Kommunionhelfer, Pfarrgemeinderäte oder Kirchenpfleger aktiv. Es fehlt uns mit Sicherheit nicht an Leidenschaft für die Sache Jesu und an der kirchlichen Verwurzelung. Doch wir sind entsetzt darüber, was gerade mit unserer Kirche und in unserer Kirche geschieht. An allen Ecken erleben wir Krise, Zerfall, Rat- und Orientierungslosigkeit.

Fassungslos macht uns vor allem, wie schlecht das kirchliche Führungspersonal mit der Situation umgeht: Da gibt es natürlich forsche Veränderer, die rasch eine Reformagenda abarbeiten (wollen). Und es gibt wie überall im Leben Mahner und Bedenkenträger, Besserwisser und Bremser. Die einen sprechen vom Gesund-Schrumpfen, von der Konzentration auf das Wesentliche, von der Rückbesinnung auf den Markenkern, von der Schärfung des katholischen Profils. Andere sprechen zwar von Reformen, setzen dabei aber nur auf den Apparat der Kurie oder eines Ordinariats. Einige reden vom Ende der Volkskirche, wollen aber an bis zuletzt an priesterzentrierten Strukturen festhalten. Dann gibt es Totalverweigerer, die sich neuen Ansätzen der Synodalität völlig verschließen, oder andere, die Gesprächsergebnisse des Synodalen Wegs in Deutschland gar polemisch als "schädliche oder tödliche Medizin" bezeichnen. Und natürlich sind auch die altbekannten Stimmen zu hören, die sagen: In der evangelischen Kirche sind doch schon alle Reformforderungen erfüllt. Selbst Papst Franziskus haute in diese Kerbe, als er 2022 warnte: "Ich sage den deutschen Katholiken: Deutschland hat eine großartige evangelische Kirche, aber ich möchte keine weitere, denn die wird nicht so gut sein". Sind das alles die Kollateralschäden von verstärkter Synodalität, "heilsamer Dezentralisierung" und mehr "Freude am Evangelium", wie es der Papst seiner Kirche schon seit Jahren nahelegt?

Wohltuend ist da der differenzierte Blick des tschechischen Philosophen und Hochschulseelsorgers Tomáš Halík. Bei seinem Eröffnungsvortrag zum jüngsten Kontinentaltreffen der Weltsynode in Prag verwies er auf das Wort Jesu "Ich bin der Weg.“ Christ-Sein heißt für ihn also auch, dem zu folgen, der sich selbst als "Weg" bezeichnete. Schon früh wurden Christen daher übrigens als Anhänger des "neuen Weges" bezeichnet. Kirche ist daher eine Gemeinschaft der Pilgernden", so Halík, ein "lebendiger Organismus". Dies bedeute, "immer offen zu sein, sich zu wandeln und zu entwickeln". Synodalität (von gr. σύνοδος / sýnodos = gemeinsamer Weg) meine also "eine ständige Offenheit für den Geist Gottes, durch den der auferstandene, lebendige Christus in der Kirche lebt und wirkt". Halík fordert daher "Raum für spirituell Suchende", auch für die, "die sich zwar nicht vollständig mit den Lehren und Praktiken der Kirche identifizieren, aber dennoch eine gewisse Nähe zum Christentum spüren". Sektenbildung, den Rückzug aus der Welt, die Trennung in Gute und Schlechte, ja "den Eifer der Revolutionäre und Inquisitoren" lehnt der Tscheche ab. Kirche ist für ihn daher eine Suchbewegung: "Auch heute ist es ein wichtiger Teil der christlichen Existenz das Abenteuer, den lebendigen Christus zu suchen, der in vielen überraschenden – manchmal anonymen – Formen zu uns kommt." Halík verweist dabei auf die Jünger von Emmaus, die den Fremden zur Einkehr einluden: "Wir werden ihn verpassen, wenn wir nicht bereit sind, unser Brot mit anderen brechen, auch mit Fremden." Die Kirche müsse hier und heute schon zum Symbol einer "universalen Brüderlichkeit" werden, die sie einmal am Ende der Zeiten einmal sein wird. Dazu gehöre auch eine "politische Diakonie", also die Nächstenliebe im öffentlichen Raum. Sie schaffe "eine Kultur der Nähe und Solidarität, der Empathie und Gastfreundschaft, des gegenseitigen Respekts". Sie baue Brücken "zwischen den Menschen aus verschiedenen Völkern, Kulturen und Religionen". So werde politische Diakonie selbst zum Gottesdienst. So könne verwirklicht werden, was das Zweite Vatikanische Konzil in der Konstitution gaudium et spes wie ein "Eheversprechen" formuliert habe: "Die Kirche hat dem modernen Menschen Liebe, Achtung und Treue, Solidarität und Aufgeschlossenheit für seine Freuden und Hoffnungen, seinen Kummer und seine Ängste versprochen."

 

Halík hat dabei keine Ängste vor dem Prozess der Säkularisierung. Dieser führe nicht zum Verschwinden, sondern zur Veränderung des Christentums. Neue Seiten des Evangeliums, "die von der Kirche während ihrer Verbindung mit der politischen Macht vernachlässigt worden waren", könnten viel besser zum Klingen gebracht werden. Das Evangelium gelte es schließlich zu inkulturieren, also in einer lebendigen Kultur Wirklichkeit werden zu lassen, und nicht nur oberflächlich zu indoktrinieren. Allemal gelte dies in Zeiten des "sexuellen, psychologischen, wirtschaftlichen und geistlichen Missbrauchs […] insbesondere der Schwächsten und Verletzlichsten". Mission in der heutigen Welt dürfe daher nicht einfach "Reconquista" (Rückeroberung) sein, "ein Ausdruck von Nostalgie für eine verlorene Vergangenheit, oder Abwerbung, Manipulation" oder "ein Versuch, Suchende in die bestehenden mentalen und institutionellen Grenzen der Kirche zu drängen". Wer das Prinzip der Synodalität ernst nehme, könne Mission nicht als "einseitigen Prozess" verstehen, sondern vielmehr als "Begleitung im Geist des Dialogs, als Suche nach gegenseitigem Verständnis". Synodalität ist für Halík "ein Prozess des Lernens, in dem wir nicht nur lehren, sondern auch lernen". Es müsse also darum gehen, die Sehnsucht der Menschen nach der Einheit mit Gott, "stets präsent zu halten und der Versuchung widerstehen, irgendeine Form der Kirche […] als endgültig und vollkommen anzusehen". Aufgabe der Kirche sei es vor allem "eine Quelle geistlicher Inspiration und Transformation zu sein, wobei sie die Gewissenfreiheit eines jeden Menschen voll respektiert." Glaube ist für Halík "eine mutige Reise in die Tiefe, eine Reise in die Transformation der Kirche und der Welt, eine gemeinsame Reise der Synodalität. Es ist eine Reise weg von lähmender Angst hin zu Voraussicht, Besonnenheit, Unterscheidungsvermögen, Offenheit für die Zukunft und Empfänglichkeit zur Gottes Herausforderungen in den Zeichen der Zeit."

Relativiert das nicht so manche kirchenpolitische Winkelzüge und so manch klerikales Machtgehabe? Braucht es da wirklich die Aufrechterhaltung von Systemen, die Sorge um den Macherhalt, das Bestehen auf bisherigen Strukturen, das Beharren auf unverrückbaren Standpunkten, das Durchsetzen von Einzel- oder Gruppeninteressen, Interviews mit unbedachten Äußerungen, verbale Angriffe, Besserwisserei und die Ansicht, dass immer ich im Besitz der Wahrheit bin? Wenn Kirche jetzt nicht lernt, zerbröselt sie mehr und mehr.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg

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Ort: Jugendtagungshaus Schloss Pfünz
Veranstalter: Referat Ehe und Familie im Bistum Eichstätt
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Montag, 29. April
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17.00 Uhr
Zum Glück gibt es Wege - Anselm Grün & Clemens Bittlinger
Ort: Pfarrheim St. Elisabeth Postbauer-Heng
Veranstalter: Pfarrei Postbauer-Heng
Montag, 06. Mai
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Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Samstag, 11. Mai
09.30 Uhr
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