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09.10.2023

Auf der Suche nach Hoffnungszeichen: Ein Kommentar zu den Wahlen in Bayern und Hessen

Der entsetzliche, nicht enden wollende Krieg in der Ukraine – der Nahostkonflikt, der mit den aktuellen Terroranschlägen einem neuen Höhepunkt entgegen taumelt – eine unheimliche Allianz von Autokraten, Diktatoren und Populisten, die immer mehr zu einer Gefahr für unsere rechtsstaatliche Demokratie werden – Hass und Feindseligkeit im Netz, in den Social Media-Kanälen und bei Wahlkampfveranstaltungen – Künstliche Intelligenz, die sich zunehmend durchsetzt und mich fragen lässt, wo uns die viel gepriesene Digitalisierung noch hinführt – die Klimakatastrophe, die von vielen als „Klimawandel“ verharmlost und von einigen völlig abgestritten wird – fehlende Perspektiven für ein Ende der Flüchtlingsströme auf unserer Erde – eine sich ständig vergrößernde Schere zwischen Arm und Reich – ein sich auflösendes Parteiensystem bei uns in Deutschland – die Diffamierung von politischen Gegnern im Wahlkampf – außerdem haben wir zu wenig Arbeitskräfte – wir müssen immer länger arbeiten – die Integration von Migranten klappt nicht so, wie es sein müsste.

All das zusammen macht mir Angst. Zukunftsvisionen sind rar, die Zukunftserwartungen in unserem System sagen mir nur: Immer billiger, immer digitaler, immer schnelllebiger, immer egoistischer, immer oberflächlicher, immer weniger kompromissbereit. Will ich in einer solchen Welt noch leben, wo jeder nur noch sich selbst der oder die Nächste ist? Doch scheinbar bin ich nicht der einzige im Land, den solche Ängste umtreiben. Die aktuellen Wahlergebnisse in Hessen und Bayern haben gezeigt: Viele wollen, dass alles beim Alten bleibt, dass wir Veränderungen aus dem Weg gehen, dass wir auf den ersten Blick erkennen, was gut und böse, was richtig und falsch ist. Der hohe AfD-Wähleranteil bringt sicherlich ähnliche Ängste und Unsicherheiten, aber auch das Unbehagen gegenüber einem vielleicht nur schlecht funktionierendem System zum Ausdruck.

Dass aber viele Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz bei einer nationalpopulistisch, teilweise sogar rechtsextremen Partei machten, entsetzt mich und verstärkt meine Ängste. In Hessen wurde die AfD drittstärkste Partei. In Bayern wählten 16 bis 19 Prozent der 18- bis 44-Jährigen diese Partei. Bei der U 18-Wahl im Freistaat schließlich wurde sie mit 14,9 % sogar zweitstärkste Partei.  In zwei Wahllokalen, die sich auf dem Gebiet meiner Neumarkter Pfarrei St. Johannes befanden, erhielten die Rechtspopulisten 24 bzw. 30 Prozent aller abgegebenen Stimmen. Noch mehr aber beunruhigt, was „infratest dimap“ in einer Umfrage herausgefunden hat: Die Wahlentscheidung erfolgt bei knapp der Hälfte der AfD-Wähler „aus Überzeugung für meine Partei“. Das Wahlergebnis bringt also mehr als nur eine reine Protestwahl zutage. Langsam wird nationalistisches, antisemitisches, demokratiefeindliches, rassistisches Gedankengut salonfähig. Politische Mitbewerber im demokratischen Spektrum werden dämonisiert, während der Hass am linken und vor allem am rechten Rand bagatellisiert wird.

Wie verhalten sich die Kirchen in dieser Situation? Sie sind auffällig still, wenn es darum geht, die Positionen der AfD zu entlarven, dem demokratiefeindlichen Populismus entgegenzutreten, sich deutlich zu demokratischen Werten zu bekennen und dazu aufzurufen, einen respektvollen Diskurs in der Politik zu pflegen. Die katholische Kirche steckt in einem Dilemma: Beim Lebensschutz etwa vertritt die AfD Positionen, die dem Katechismus entsprechen. So äußerte sich etwa die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch Anfang Juli in einer Parlamentsdebatte zur Suizidbeihilfe: „Anfang und Ende des Lebens liegen alleine in Gottes Hand.“ Inhaltliche Schnittmengen gibt es auch zwischen  reaktionär-konservativen Kreise in der Kirche und der Weigerung am rechten politischen Rand, sich den Fragen der Zeit ernsthaft, differenziert und kompromissbereit zu stellen. Die Grenzen zwischen absolutem Wahrheitsanspruch und politischer Ideologie sind dabei oftmals fließend. Und welcher Kirchenmann oder Prediger will sich im vermeintlich katholischen Bayern schließlich erlauben, gegen Inhalte oder Ausdruckweisen einer Partei aufzutreten, die bei jedem vierten bis sechsten Wähler ihre Zustimmung finden. Wo uns doch derzeit ohnehin die Mitglieder in großen Scharen davonlaufen!

Ein Blick in die Geschichte zeigt uns: Die katholische Kirche hat schon einmal versagt, als es darum ging, ein grausames, menschenverachtendes System aufzuhalten. Aber andererseits auch: Die lehramtliche Verurteilung von extremem Wahlverhalten (in Italien untersagte man bis 1905 den Katholiken sogar gänzlich die Teilnahme an den Wahlen) stellte sich als wenig hilfreich und sinnvoll heraus. Ob Wahlaufrufe und Positionspapiere von ZdK und deutschen Bischöfen ein passendes Mittel sind, wage ich ebenfalls zu bezweifeln. Was wir aber als katholische Kirche tun können, ist einen Umgang zu pflegen, der auf die Gesellschaft ausstrahlen kann: Wir schätzen unser Gesprächs- und Kooperationspartner; wir begründen unsere Entscheidungen; wir hören auf die Nöte, Ängste und Befürchtungen der Menschen; wir beteiligen so viele Personen wie nur möglich an Entscheidungen; wir schlafen noch einmal über Gehörtes und Erlebtes; wir sprechen verständlich; wir sagen, was wir meinen; wir versetzen uns in die Lebenswelt unseres Gegenübers hinein – auch in unserem Kirchenalltag sind das alles keine Selbstverständlichkeiten, wie wir wissen. Vor allem aber lassen wir uns nicht von unseren Ängsten überwältigen, weil wir immer wieder erfahren dürfen: Wir sind mit Jesus Christus unterwegs. Er ermuntert uns dazu, auch hier und heute für ein liebevolles und menschliches Miteinander zu sorgen – dort wo wir eben gerade sind.

Ein ermutigendes Zeichen ist für mich die derzeitige Welt-Bischofssynode in Rom. Männer und Frauen, Geweihte und Nicht-Geweihte suchen nach Wegen unserer Kirche in die Zukunft: Im Beten und Singen, im ehrlichen Sprechen und geduldigen Zuhören, im Ringen und Diskutieren, im Hinhören auf die Stimme Gottes, im schrittweisen Herausarbeiten tragfähiger Lösungen. Hier versuchen Christinnen und Christen aus aller Welt, einen wertschätzenden, ehrlichen und geschwisterlichen Umgang einzuüben – Vorbild für unsere Kirche und Hoffnung für diese zerrissene Welt.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg

Die nächsten Termine

Montag, 20. Mai
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Wegweisung - Stärkung - Halt
Veranstalter: Pfarrei St. Johannes Neumarkt
Samstag, 25. Mai
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Klostertag: ein spirituell-ökologisches Konzept kennenlernen
Ort: Kloster Plankstetten - Gäste und Tagungshaus
Veranstalter: Benediktinerabtei Plankstetten
Montag, 03. Juni
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Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Pfarrheim St. Willibald Woffenbach
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Donnerstag, 06. Juni
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Jugendseelsorgekonferenz der Dekanate Habsberg und Neumarkt
Ort: Katholische Jugendstelle Neumarkt
Veranstalter: Katholische Jugendstelle Neumarkt
Samstag, 08. Juni
09.30 Uhr
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Sonntag, 09. Juni
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"Duo Hymnus" : Sopran & Orgel
Ort: Pfarrkirche St. Petrus Kastl
Veranstalter: Pfarrverband Illschwang-Kastl-Ursensollen
Mittwoch, 12. Juni
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Herr lehre uns beten - Beten neu entdecken
Ort: Caritas Seniorenheim St. Franziskus
Veranstalter: Pfarrei Berching
Samstag, 15. Juni
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Samstag, 22. Juni
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Montag, 24. Juni
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Wegweisung - Stärkung - Halt
Veranstalter: Pfarrei St. Johannes Neumarkt
Samstag, 29. Juni
09.30 Uhr
10.00 Uhr
18.30 Uhr
Festtag "Heilige Peter und Paul" - Stadtkirchen-Gottesdienst
Ort: Pfarrkirche St. Martin Pölling
Veranstalter: Katholische Kirche Neumarkt - Projektbüro "Stadtkirchenkonzept Neumarkt"