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07.08.2023

"Mehr Expeditionen wagen!" - Gedanken zum Zustand der Kirche

Bild: pixabay

Nun ist sie weg. Sie verlässt Nürnberg. Nicht nur in der Noris-Stadt selbst, sondern in der gesamten Metropolregion war sie zuletzt bekannt und wird die jetzt schon vermisst. Joanna Mallwitz beendet ihre Tätigkeit bei der Staatsphilharmonie Nürnberg und wechselt zur neuen Spielzeit als Chefdirigentin an das Konzerthaus in Berlin. Offensichtlich kein üblicher Stellenwechsel in der Musikbranche. Immerhin war diese Personalie dem Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL in seiner letzten Ausgabe (32/2023) ein eigener Artikel wert. „Die Übersetzerin“ – so ist dieser Beitrag von Jurek Skrobala und Thomas Schmoll überschrieben. Offensichtlich ist die 36-jährige Dirigentin eine Ausnahmeperson in dem manchmal etwas angestaubt wirkenden Klassik-Betrieb. Vielen gilt die klassische Musik heute etwas als zu ernsthaft, zu feierlich, zugeknöpft, längst erstarrt, zu wenig lebendig. Die Musikerin Mallwitz scheint an diesem Image mit ihrer Arbeit wohl erfolgreich gerüttelt zu haben.

Beim Lesen dieses Artikels musste ich unwillkürlich an den Zustand er katholischen Kirche, meiner Kirche denken. Hat sie nicht ein ähnliches Image wie die klassische Musik: angestaubt, elitär, lebensfern? Und braucht nicht auch sie Übersetzerinnen und Erklärer, die begeistern können und einen Schlüssel zu längst überlebt geglaubte Welten geben?

Das Markenzeichen von Joana Mallwitz waren an ihren ersten beiden beruflichen Stationen in Erfurt und Nürnberg die „Expeditionskonzerte“: Jeweils eine persönliche Einführung der Dirigentin in das Werk, bevor das Orchester dann loslegt. So kann sich auch dem Ungeübten die Welt der klassischen Musik besser öffnen. „In den Expeditionskonzerten geht es um pure Freude am Hören. Wir nähern uns den großen Meisterwerken der klassischen Musik aus unterschiedlichen Richtungen, horchen in Details hinein, verbinden Hintergrundgeschichten und Anekdoten mit musikalischen Entdeckungen und nehmen die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf diese Reise“, beschreibt Joana Mallwitz das Format. Die Musiker laden also zu einer „Expedition“ ein: zu Aufbruch, Bewegung, Entdeckung. Jahrhunderte-Altes lässt sich immer wieder neu erschließen und für die aktuelle Zeit übersetzen.

Vor allem geht es dabei um die pure Freude. Eine solche Expedition soll uns mit Freude erfüllen und wir dürfen gelöster, befreiter, glücklicher nach Hause gehen als wir gekommen sind. In unserer Kirche fehlt es manchmal an dieser Freude. Der korrekte Vollzug, das Einhalten von Regeln und Geboten, das geregelte Weiter-So oder die Aufrechterhaltung des Betriebs nehmen vielen Menschen die Freude anstatt sie ihnen zu geben. Joanna Mallwitz ist hier sehr klar: „Es reicht nicht zu sagen: Ich ziehe meinen Frack an, gehe auf die Bühne, verbeuge mich, dirigiere meine Sinfonie und erwarte, dass die Leute einfach hinkommen.“  Das scheint wohl noch immer so in der Klassik üblich zu sein, und das erlebe ich auch in meiner Kirche sehr häufig: viel Routine, ausgefeilte Spielpläne und ein Personal, das auf ein selbstverständlich hereinströmendes Publikum wartet. Man wundert sich dann, warum der Funke nicht überspringt und wenn von der „Freude des Evangeliums“, wie es Papst Franziskus formulierte, kaum etwas überspringt. Dazu vielleicht passend Joanna Mallwitz: „Wir können doch nicht so tun, als wäre das die Welt von vor 70 Jahren.“ DER SPIEGEL bringt es so auf den Punkt: „Sie fügt sich gut in eine Zeit, in der einerseits Erklärerinnen komplexer Themen wie auch Mai Thu Nguyen-Kim populär sind und andererseits die Methoden von Dirigenten der alten Schule wie Daniel Barenboim kritisiert werden. Eine Zeit, in der auch von der Klassik mehr Transparenz gefordert ist. Ein bisschen mehr Volkshochschule statt nur Elite-Internat.“

In der Kirche dagegen herrschen manchmal die althergebrachten Methoden vor, werden bisweilen sogar absolut gesetzt, und man betont, wie wichtig es doch sei, zur Elite gläubiger und aktiver Christen zu zählen. Verächtlich wird manchmal auf diejenigen geblickt, die die Frohe Botschaft nur billig auf „Volkshochschul-Niveau“ verkaufen wollen. Mallwitz gehe es übrigens, so DER SPIEGEL, nicht so sehr „um Geniekult“, wie ihn die Klassikbranche offensichtlich auch kennt, oder um „die unantastbare Aura des Maestros“, sondern „um Zugänglichkeit, um Verständlichkeit“. Und auch in unserer Kirche haben wir längst bemerkt: Der Kult um die Kultdiener lenkt ab. Ein überbordender Klerikalismus und Zentralismus ist Gift für die Weitergabe der Frohen Botschaft. Die Kirche schleppt einen schweren Bremsklotz an Autoritarismus und Machtmissbrauch mit sich herum. DER SPIEGEL geht auch auf einen althergebrachten Dirigenten-Typ ein, der wohl besonders von einem Daniel Barenboim verkörpert wird: „Länger schon waren Vorwürfe gegen ihn laut geworden, in denen von Schikane und Machtmissbrauch im Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Rede war“, heißt es in dem Artikel. Nun verlässt Barenboim offiziell „aus gesundheitlichen Gründen“ die Staatsoper Berlin. Ein Zeitenwechsel bahnt sich hier an: „Ich bin der Ober, ihr seid die Unter. Was ich sage, ist Gesetz.“ – dieser Dirigententyp wird heute kaum mehr erfolgreich sein. Sein Stil kann klein machen, verletzen, ausgrenzen, Abhängigkeiten schaffen. Übrigens: Wie mehrere Quellen berichten, sollen auch im Berliner Konzerthaus auch einige Orchestermitglieder gegen die Anstellung von Joanna Mallwitz gewesen sein. Die junge Dirigentin war wohl nicht ganz unumstritten. Doch sie wird auch in Berlin auf Expeditionskonzerte und die dafür nötige Teamarbeit setzen: „So was kann man sich nur trauen, wenn man sich gegenseitig vertraut.“ Mallwitz gehört, wie DER SPIEGEL schreibt; „in die Linie jener Dirigenten und Dirigentinnen, die Stücke im kollegialen Miteinander zwischen Dirigenten und Orchester einüben.“ Dabei jedoch „verliert sie weder an Fokus noch an Autorität“, stellt das Nachrichtenmagazin fest. Es gehe ihr aber mit ihrem Stil nicht um pures Entertainment, sondern um „anschauliche Kommunikation“. Teamarbeit gefährdet also nicht Autorität, sondern stärkt sie. Und eine gute Show ist noch lange keine Anpassung an den Mainstream, sondern kann Verständnis, Einbindung und Lebensfreude wecken. Das kann und darf auch die katholische Kirche mit ihren vielen Amts- und Verantwortungsträgern noch einüben.

Abschließend sei noch folgende Frage erlaubt: Wie aber ist eine solche Übersetzerinnen- oder Erklär-Arbeit möglich, was sind Voraussetzungen dafür? Joanna Mallwitz stammt nicht aus einer Musikerfamilie. In ihrer frühen Kindheit war sie nie in einer Oper oder in einem Sinfoniekonzert. Ihre Eltern schickten ihre Tochter raus in den Garten, wenn sie das Gefühl hatten, dass sie zu lange am Klavier saß. Und auch jetzt redet sie zwar gerne und viel über Musik, „aber sie sagt auch, dass man nicht ständig über Musik reden müsse“, schreibt DER SPIEGEL. Was könnte das für die Kirche heißen: „Nimm dich nicht so wichtig, Giovanni!“, hat einmal Papst Johannes XXIII. zu sich selbst gesagt. Wir brauchen mehr Gelassenheit und Mäßigung statt verbissenem Glaubenseifer, mehr Ablenkung und Abwechslung statt liebloser Routine, mehr Dialog und Kommunikation statt Dauer-Verkündigung in eine Richtung: Kirche, nimm deine Dogmen, deine Ämterstruktur, dein Rechtsbuch, deine Struktur- und Pastoralpläne nicht allzu wichtig, stell sie nicht in den Mittelpunkt, sondern betrachte sie als Mittel zum Zweck! Rede nicht nur über dich selbst und darüber, wie wichtig und unverzichtbar du bist. Lass Platz für Que(e)rdenker und Seiteneinsteiger. Nimm dir Räume für’s Spielen und Toben, für’s Ausprobieren und Experimentieren. Geh raus aus deinen Priesterseminaren, Pfarrhäusern und Amtsstuben! Mehr Open Air und weniger Konzertsaal. Mehr Unterwegs-Sein und Bewegung! Einfach: Mehr Expeditionen wagen!

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg      

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Klostertag: ein spirituell-ökologisches Konzept kennenlernen
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Veranstalter: Benediktinerabtei Plankstetten
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Veranstalter: Katholische Jugendstelle Neumarkt
Samstag, 08. Juni
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