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08.08.2023

Schmeztiegel und Sammelbecken - Gedanken zum Zustand der Kirche

Foto: Ben Bender, in Wikipedia Commons

Antakya – haben Sie jemals von dieser rund 150.000 Einwohner zählenden Stadt im Süden der Türkei gehört? In einer Fernsehreportage über die Folgen der Erdbebenkatatsrophe im Februar 2023 bin ich auf diese Stadt aufmerksam geworden. Die sehenswerte Altstadt gleicht seit der Katastrophe einer Schneise der Verwüstung. Zur Zeit des Neuen Testaments befand sich hier die nach Rom und Alexandria übrigens drittgrößte Metropole des damaligen Imperiums: Antiochia. Von der Größe und Erhabenheit dieser Stadt ist nicht mehr viel übrig geblieben. Für die Entwicklung des Christentums aber ist sie von großer Bedeutung. Antiochia galt als Schmelztiegel der Kulturen, der den Orient und das Abendland miteinander verband. Hier waren Anhänger unterschiedlichster Religionen, Kulte und religiösen Bräuche zu finden. Und so entstand in dieser Stadt auch schon bald eine christliche Gemeinde. Hier bezeichneten sich die Getauften, die Anhänger des „neuen Weges“ erstmals selbst als „Christen“, wie der Luzerner Neutestamentler Robert Vorholt in einer der letzten Ausgaben der Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“ darstellt. Weltoffene Juden und Interessierte aus dem griechischen Kulturkreis bildeten eine Gemeinde, die nicht in hebräischer, sondern in griechischer Sprache las, betete und verkündete. Der Tempelkult in Jerusalem spielte hier keine Rolle. Dies führte jedoch bald zu Konflikten mit der Urgemeinde „in der Zentrale“.

Die Leitung der Gemeinde von Antiochia, mit der Josef Barnabas betraut wurde, war „eine echte Herausforderung“, wie es Vorholt formulierte. Immer wieder kam es zu Konflikten zwischen Heiden- und Judenchristen, die Barnabas zu lösen hatte. Immer wieder gab es Spannungen zwischen den getauften Heiden, die sich nicht an die jüdischen Gesetze gebunden fühlten, und christgläubige Juden, die darauf drängten, die Tora ohne Abstriche einzuhalten. Es ging um die Frage, ob Christen dazu verpflichtet sind, die jüdischen Ritual- und Reinheitsgebote zu beachten. Vorholt fasst es folgendermaßen zusammen: „Der Wunsch nach angemessener Wertschätzung religiöser Tradition und die Suche nach attraktiven Formen ihrer Verlebendigung schienen sich wechselseitig zu blockieren.“ Bei der Heidenmission kam es zu einer sehr liberalen Praxis, die „schnell unter Beschuss“ geraten war.

Mich erinnern diese Auseinandersetzungen auch an kirchliche Debatten der heutigen Zeit: Was macht einen guten Christen aus und was ist eigentlich noch „katholisch“? Haben sich Katholiken an die Gebote des Katechismus zu halten und müssen gottesdienstliche Rituale korrekt vollzogen werden? Gilt noch immer eine Sonntagspflicht, deren Nichtbeachtung als Sünde zu werten ist? Ist die katholische Verfassung mit ihrem überkommenen Weiheamt und mangelnder Gewaltenteilung reformierbar oder muss alles bleiben wie bisher? Was wird in diesen Tagen unerbittlich gestritten zwischen vermeintlichen Reformern und Bewahrern, zwischen Progressiven und Konservativen, zwischen Traditionalisten und Weltoffenen. Jeder sieht den jeweils anderen als Ursache für Kirchenkrise und Mitgliederschwund an. Das Bewahren und Verharren ist vielen Liberalen verdächtig. Das dauerhafte „aggiornamento“, also das ständige „Update“ unserer Kirche, wird von Rechten bewusst als Anpassung an die Welt missverstanden. 

Der Theologe Robert Vorholt arbeitet mit Blick auf die Gemeinde in Antiochia heraus, dass es trotz aller Schwierigkeiten und Differenzen gelang, gemeinsam „eucharistisch und auch gewöhnlich miteinander Mahl hielten, ohne wegen der Nichteinhaltung von Kultvorschriften in Skrupel zu geraten.“ Schließlich stellt er fest: „Die Verbundenheit mit der Jerusalemer Urgemeinde wurde bewahrt, Grundmuster ihrer Theologie und ihrer Glaubenspraxis übernommen.“ Es kam also nicht zu hasserfüllten Anfeindungen oder gar zur Spaltung. Man fand also Wege, mit Verschiedenheit und anderen theologischen Positionen umzugehen. Manchmal fehlt in diesen Zeiten der Kirchenkrise die nötige Gelassenheit und der wertschätzende Umgang mit dem Andersartigen – oder auch: das Vertrauen in das Wirken des Heiligen Geistes.

Doch wir müssen ehrlich sein: Hätte sich die Praxis der Heidenmission nicht durchgesetzt, wären abertausende Menschen im Römischen Reich niemals mit Jesus Christus und der Frohen Botschaft in Berührung gekommen. Der „Umweg“ über die Gesetze des Judentums hätte die rasante Verbreitung des Christentums durchaus gebremst. Vorholt formulierte es so: „Die von Jesus selbst eröffnete Chance weltweiter Evangeliumsverkündigung wäre auf das Niveau eines Bonsaibäumchens zurückgestutzt worden." Wenn also das Evangelium immer mehr Wirklichkeit werden soll, muss manchmal auch das, was uns zunächst als wichtig, sinnvoll und stimmig erscheint, überwunden werden, weil es zu hohe Hürden errichtet und zu einem Hindernis wird.

Zurück in die Zeit des Neuen Testaments: „Es bedurfte einer Stunde der Entscheidung“, schreibt Vorholt. Und tatsächlich: Erst das Apostelkonzil, bei dem Petrus und Paulus sehr heftig aneinandergeraten waren, sollte zu einer endgültigen Lösung führen. Die Versammelten beschlossen, dass keiner, der getauft werden möchte, die jüdischen Gesetze einzuhalten habe. Die strenge Sichtweise aus Jerusalem konnte sich letztlich nicht durchsetzen. Für neue und vielleicht auch erfolgreiche Wege der Kirche lohnt es sich also zu debattieren, respektvoll zu streiten, mit Kritik und Widersprüchen umzugehen, zu Entscheidungen zu kommen und diese schließlich gemeinsam zu tragen. Sich in in einer bunten Vielfalt, multikulturellen Gesellschaft und heidnischen Umgebung zu bewegen und sich dabei auch selbst weiterzuentwickeln, muss also kein Schaden für unsere Kirche sein.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg

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