Zeitenwende: Geistliche Gedanken zu Weihnachten

Zeitenwende – das Wort, das kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine Bundeskanzler Scholz zum Wort des Jahres 2022 geprägt hatte, war vorher keinesfalls unbekannt. Es stand für den Beginn der christlichen Zeitrechnung nach der Geburt Christi. Zwei sehr unterschiedliche Ereignisse stehen für ein und dasselbe Wort. Krieg und Frieden stehen unter dem gleichen Begriff. Krasser könnte der Gegensatz kaum sein. Während der Krieg für steigende Preise gesorgt und damit auch in unserem Land seine Spuren hinterlassen hat, scheint der christliche Glaube immer mehr aus dem Leben der Menschen zu verschwinden. Allenfalls an Weihnachten und an wenigen anderen Festtagen besuchen Menschen in größerer Zahl die Gottesdienste. In sehr vielen Familien ist Weihnachten immer noch eines der schönsten Feste des Jahres.  Eltern und Großeltern erleben die Freude der Kinder an Weihnachten. Friedliche und besinnliche Feiertage tragen zur Erholung nach dem voraus gegangenem Stress bei.

Weihnachten ist die Feier der Geburt Christi als Zeitenwende. Auch eine junge Familie erlebt, wie die Geburt ihres Kindes  das Leben verändert und den alltäglichen Ablauf bestimmt. Wesentliche Dimensionen des Menschseins kommen zum Tragen: Bei allen Möglichkeiten moderner Familienplanung und Geburtenregelung empfinden Eltern ihr Kind als großes Geschenk. Schön mag auch die Erfahrung eines Kindes sein, so einfach ohne Vorleistung beschenkt und geliebt zu werden. Genau diesen Weg hat Gott gewählt, um bei uns Menschen, in unserem Inneren anzukommen. Gott wollte eine Zeitenwende herbeiführen, nicht indem er seine Macht den Menschen nur von oben überstülpt, sondern indem er ohnmächtig und hilfsbedürftig in der Krippe den Menschen sich aussetzt. Zwar hat die Geburt Christi den eifersüchtigen König Herodes in Aufruhr versetzt und vielleicht war die Kunde von der Geburt eines neuen Königs auch dem römischen Kaiser Augustus nicht verborgen geblieben. Zur Zeitenwende aber wurde die Geburt Christi, weil sich Menschen von der Liebe Gottes in Menschengestalt berühren und bewegen ließen, weil sie in der Begegnung mit Jesus Christus ihre persönliche Zeitenwende erfahren hatten.

Die Zeiten ändern sich so oder so. Aber die Richtung ist nicht egal. Es ist nicht gleichgültig, ob das soziale Miteinander zerbricht und menschenverachtende Parolen  sich mehren. Ich wünsche mir, dass die Feier des Weihnachtsfestes viele Menschen ermutigt, ihre Hoffnung auf Gott zu setzen und ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit zu suchen. Ich hoffe, auf die vielen kleinen Wunder von Zeitenwenden der Liebe. Sie befähigen, auf Gott und die Mitmenschen mit Würde und Respekt zuzugehen und mit Vertrauen die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen und, dass Sie die Freude über die Geburt Christi tief berühren möge.

Dekan Elmar Spöttle, Habsberg