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06.04.2023

Klage und Zweifel mehr Raum geben - Gedanken zu den Kartagen

Foto: pixabay

„Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – Diese Worte aus dem Psalm 22 sollen nach biblischer Überlieferung die letzten Worte Jesu gewesen sein. Es gab schon viele theologische Abhandlungen darüber, warum Jesus ausgerechnet mit diesem Satz auf den Lippen gestorben sein soll. Schildert doch der Psalm die Bedrängnis, in die ein gläubiger Mensch geraten ist, und das Gefühl, dass Gott so weit entfernt ist und nicht helfend eingreift. Gottesferne und Gottverlassenheit – das sind Erfahrungen, die sich auch in den Texten der Bibel widerspiegeln. Menschen verzweifeln an ihrem Gott, ringen mit ihrem Glauben, misstrauen ihrer eigenen Religion. Es würde uns nicht wundern, wenn auch Jesus in den Stunden von Einschüchterung und Gewalt, Unrecht und Erniedrigung, vor allem auch unter Atemnot und unbeschreiblichen Schmerzen immer wieder auch von Hadern, Zweifel und Anklage durchzogen gewesen wäre.

Überhaupt: Das Leben mit Gott ist nicht immer der einfachere, schnellere und kürzere Weg. Wenn wir uns an Gott orientieren, wird uns manchmal sehr viel abverlangt. Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber sagte einmal: „Erfolg ist keiner der Namen Gottes“. Erst recht muss das auch für unsere Beziehung zur Kirche gelten: Wir sind Mitglied einer Gemeinschaft von Glaubenden, vor allem aber auch von Zweifelnden, Strauchelnden, Taumelnden, Scheiternden. Bedrängnis, Unrecht und Erniedrigung sind Erfahrungen, die auch mit der Kirche in Verbindung gebracht werden können. Menschen leiden an ihrer Kirche – nicht nur die, die an Leib und Seele Missbrauch und Grenzüberschreitungen erleben mussten, sondern auch jene, die Tag für Tag eine Mischung aus Starrheit und Lebensferne, Machtkämpfen und Gottvergessenheit sowie unbeirrbarer Überheblichkeit erdulden. Nicht nur die, die der Kirche ohnehin schon lange distanziert oder gleichgültig gegenüberstanden und ihr nun den Rücken zuwenden, sondern auch jene wie ich, die sich schon seit Jahrzehnten ehrenamtlich oder hauptberuflich engagieren.

Ja, ich muss es als kirchlicher Mitarbeiter gestehen: Ich leide unter einer Kirche

* in der die Angst vor Macht- und Kontrollverlust viele Entscheidungen und Entwicklungen prägt.

* in der Weihe noch immer mit absoluter Macht gleichgesetzt wird, in der Bischöfe und Priester tun und lassen können, was sie wollen; in der wichtige Entscheidungen noch immer in Hinterzimmern getroffen werden;

* in der auch in unserem Bistum nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle 2010 noch immer Priester geweiht wurden, die zu Missbrauch und Grenzüberschreitungen in der Lage waren.

* in der die Leitenden und Führenden oftmals heillos überfordert sind.

* die ein kirchenrechtlich durchgetrimmter Apparat aus Zuständigkeiten und Privilegien, Rechten und Pflichten, Richtlinien und Dienstanweisungen werden konnte, in der vom Geist Gottes oftmals nichts mehr zu spüren ist.

* in der der Begriff „Qualität“ ein Fremdwort ist und bei Hauptberuflichen oftmals nicht genug Interesse vorhanden ist, um den Funken der Frohen Botschaft auf die Menschen überspringen zu lassen.

* in der sich einerseits eine Anspruchsmentalität und eine Servicehaltung breit machen konnten, es aber andererseits völlig an Lebensähe, Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit fehlt.

* in der wir nicht genügend miteinander beten, aufeinander hören, zusammen entscheiden und das Erarbeitete gemeinsam tragen.

* in der sich ein Einzelkämpfertum entwickelt hat, das Gift ist für die Bewätltigung der aktuellen Herausforderungen

* in der kirchliches Leben und christliche Existenz von Priestern wie Laien mit dem Vollzug der sonntäglichen Eucharistiefeier gleichgesetzt werden und dabei so viele bunten Facetten unsere christlichen Glaubens verloren gehen.

* in der eine junge Priestergeneration mit weißen Krägen vor allem auf das katholische Profil bedacht ist.

Ich könnte die Liste hier durchaus noch fortsetzen.

Ich erlebe in meinem eigenen kirchlichen Alltag also Gottesferne und Gottvergessenheit – in Räumen, Personen, Angeboten, Konzepten. Ich erlebe Rat-, Plan-, Ideen-, Visions.- und Hoffnungslosigkeit. Ich erlebe Führungsschwäche und zugleich Machtgefälle. Ich erlebe Frust, Enttäuschungen und Verletzungen. Manchmal könnte ich schreien, hinschmeißen und davonlaufen: „Wo bist du Gott? Warum lässt du das alles zu?“ Es muss doch auch für kirchliche Mitarbeiter Zeit zur Klage, zum Zweifeln und zum Hadern sein!

Man könnte fast wie der Verfasser von Psalm 22 schimpfen: „Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; und bei Nacht, doch ich finde keine Ruhe.“ Doch ich stolpere über diesen Satz: Wenn ich etwas genauer hinschaue und hinhöre, finde ich doch leise Antworten, die Gott mir zuflüstern will. Du kannst sie finden in dem, was bisher gelungen ist: jede freundliche Hilfe, jedes fröhliche Lachen, jede mitmenschliche Gemeinschaft, jede respektvolle Miteinander, jede tiefe Kommunikation, jeder gutgemeinte Impuls können mir die liebevolle Anwesenheit Gottes erahnen lassen. Das durfte und darf ich immer wieder spüren. Doch es sind meist nicht die Hochämter und Sonntagsmessen, die Vollversammlungen, Konferenzen und Dienstgespräche, wo dies geschieht, sondern das Persönliche, das Kleine und Unscheinbare oder auch das „stille und sanfte Säuseln“, wie es der Prophet Elija erlebte. Und so endet dieser Psalm 22 schließlich auch in der Gewissheit, dass Gott „das Elend des Armen sieht“ und „auf sein Schreien hört“, dass „die Armen essen und sich sättigen“ werden, „dass der Herr als König regiert“. Gerade im Anklagen, im Schreien und Verzweifeln kann pötzlich auch die Kraft zu einem neuen Beginn liegen und die Zuversicht wachsen. Vielleicht sollte der Klage und dem Zweifel manchmal sogar etwas mehr. Der Karfreitag will mich dazu ein wenig ermuntern.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg

Die nächsten Termine

Montag, 20. Mai
09.30 Uhr
20.00 Uhr
Wegweisung - Stärkung - Halt
Veranstalter: Pfarrei St. Johannes Neumarkt
Samstag, 25. Mai
09.00 Uhr
Klostertag: ein spirituell-ökologisches Konzept kennenlernen
Ort: Kloster Plankstetten - Gäste und Tagungshaus
Veranstalter: Benediktinerabtei Plankstetten
Montag, 03. Juni
19.00 Uhr
Ökumenisches Friedensgebet
Ort: Pfarrheim St. Willibald Woffenbach
Veranstalter: Ökumenischer Arbeitskreis Religionsfreiheit
Donnerstag, 06. Juni
14.30 Uhr
Jugendseelsorgekonferenz der Dekanate Habsberg und Neumarkt
Ort: Katholische Jugendstelle Neumarkt
Veranstalter: Katholische Jugendstelle Neumarkt
Samstag, 08. Juni
09.30 Uhr
10.00 Uhr
Sonntag, 09. Juni
15.00 Uhr
"Duo Hymnus" : Sopran & Orgel
Ort: Pfarrkirche St. Petrus Kastl
Veranstalter: Pfarrverband Illschwang-Kastl-Ursensollen
Mittwoch, 12. Juni
19.00 Uhr
Herr lehre uns beten - Beten neu entdecken
Ort: Caritas Seniorenheim St. Franziskus
Veranstalter: Pfarrei Berching
Samstag, 15. Juni
10.00 Uhr
Samstag, 22. Juni
09.30 Uhr
10.00 Uhr
Montag, 24. Juni
20.00 Uhr
Wegweisung - Stärkung - Halt
Veranstalter: Pfarrei St. Johannes Neumarkt
Samstag, 29. Juni
09.30 Uhr
10.00 Uhr
18.30 Uhr
Festtag "Heilige Peter und Paul" - Stadtkirchen-Gottesdienst
Ort: Pfarrkirche St. Martin Pölling
Veranstalter: Katholische Kirche Neumarkt - Projektbüro "Stadtkirchenkonzept Neumarkt"