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24.04.2020

Trauerfälle in Corona-Zeiten: Ein Beitrag der Kirchenzeitung

Foto: pixabay

Eichstätt (KiZ) - Angehörige, Seelsorger und Bestatter erzählen in einem Beitrag der Eichstätter Kirchenzeitung, unter welchen Umständen in den Zeiten der Corona-Pandemie sich trauernde Angehörige von ihren Verstorbenen verabschieden können.

Wer seine Enkelkinder derzeit nicht in die Arme schließen und mit Freunden nur per Telefon oder Internet Kontakt halten darf, der kann sich mit der Aussicht trösten, dass das Wiedersehen umso herzlicher sein wird. Was aber, wenn der Tod dazwischenkommt? Die Einschränkungen, die mit der Corona-Krise einhergehen, machenauch vor dem Abschiednehmen nicht Halt. Wir haben bei trauernden Angehörigen, einem Pfarrer, einer Klinikseelsorgerin und Trauerbegleiterin sowie einem Bestatter nachgefragt.

Friedhöfe sind Orte der Begegnung und oftmals Schauplatz von Beisetzungen mit zahlreichen Trauergästen. Dies hat sich in Zeiten von Corona geändert. Hinterbliebene, Trauerbegleiter und Bestatter müssen sich mit den derzeit geltenden Bestimmungen arrangieren. Foto: Kraus

Weihwasser mitgebracht

Gleich zwei Trauerfälle innerhalb von fünf Tagen gab es unlängst in der Familie der Paulushofener Mesnerin Gerlinde Merkl. Ihre Schwiegermutter wurde am 23. März beerdigt. Zu diesem Zeitpunkt griffen bereits die Regelungen, die das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zur Bekämpfung der Corona-Pandemie festgesetzt hatte (siehe Beitrag unten). Just am Tag der Beisetzung verstarb dann auch Merkls Vater daheim im Kreis der Familie. Er war im Krankenhaus gelegen, hatte aber aufgrund der Corona-Vorsichtsmaßnahmen nur jeweils von einer Person Besuch bekommen dürfen. „Wir haben ihn dann zu uns nach Hause geholt“, erzählt die Mesnerin, deren Tochter Krankenschwester ist. 

Erneut traf sich die Kernfamilie auf dem Friedhof zum Abschiednehmen. Hatte Merkl nach dem Tod der Schwiegermutter Blumen und Kränze noch direkt beim Gärtner in Auftrag geben können, so hatten die Floristen zur Zeit des zweiten Trauerfalls schon geschlossen. „Gott sei Dank gab es einen Lieferservice“, erzählt Merkl. Weil an den offenen Gräbern derzeit kein Weihwasserkessel bereitstehen darf, hatte jeder der Trauergäste sich ein eigenes Fläschchen Weihwasser abgefüllt und mit auf den Friedhof gebracht.

Dass so wenige Gläubige das Geleit geben konnten, sei schon ein eigentümliches Gefühl gewesen, überlegt Merkl. Beide Verstorbene seien zeitlebens „total überzeugte Kirchgänger“ gewesen, ihr Vater 30 Jahre Kantor. Andererseits habe die Ruhe, die Stille, die Musik auch ein ganz persönliches, von Äußerlichkeiten unbeeinflusstes Abschiednehmen ermöglicht. Nachbarn, Bekannte, entferntere Verwandte hätten durchwegs Verständnis für die außergewöhnliche Situation gezeigt, sagt Merkl und fügt an: „Wenn es mal wieder möglich ist, möchten wir das Requiem nachholen.“

Nicht mal die Enkel?

 Auch Dr. Clemens Hergenröder, Pfarrer der Ingolstädter Gemeinden St. Konrad und St. Josef, hört diesen Wunsch derzeit von Angehörigen. Der Geistliche, der das Thema Sterbekultur und Bestattungsformen auch in Vorträgen immer wieder aufgreift, bietet Hinterbliebenen außerdem an, auf Wunsch zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zusammen ans Grab zu gehen und zu beten. Solange keine Requien stattfinden können, schließt Hergenröder die Verstorbenen in der Heiligen Messe, die er täglich feiert, ins Hochgebet ein.  

Als die Corona-Pandemie anrollte und erste Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, hatte sich der Geistliche anfangs auf immer wieder neue städtische und staatliche Rahmenbedingungen einstellen müssen. Fast jeden Tag seien neue Zahlen genannt worden, wie viele Trauergäste kommen dürften. Kurzzeitig sei nicht einmal die Teilnahme der Enkel erlaubt gewesen, ein andermal sei die Rede davon gewesen, dass der Friedhof während der Zeremonie abgesperrt werde. Mittlerweile seien zumindest die Richtlinien einheitlich und die anfangs geforderte Sondergenehmigungspflicht von Beerdigungen wieder aufgehoben, informiert Hergenröder.

„Große“ Beerdigungen, wie sie auf dem Land verbreitet sind, seien auch in Ingolstadt noch zu erleben, berichtet der Pfarrer. Er spüre durchaus Bedauern und Enttäuschung bei den Hinterbliebenen, dass dies momentan nicht möglich sei. Für die Angehörigen sei es tröstlich  zu sehen, wie viele Freunde und Bekannte gekommen sind, denen der Verstorbenen offensichtlich etwas bedeutete. „Was natürlich jetzt auch fehlt, ist der Leichenschmaus“, fügt Hergenröder an, „es ist richtig, wenn da Erinnerungen ausgetauscht werden und die Stimmung fröhlich wird.“ Der Ausspruch „a schöne Leich“ sei nicht pietätlos, sondern „ein Zeichen, dass sich die Trauer löst“. 

Aber auch um die Phase, die vorangeht, den Abschied, macht sich Hergenröder Gedanken. Liegt ein Mensch im Sterben, darf er auch im Corona-Ausnahmezustand von Angehörigen und vom Priester besucht werden. Aber wann ist dieser Zeitpunkt gekommen? „Das wird teilweise sehr eng gefasst“, kritisiert Hergenröder. „Ich bin der Meinung, dass man das weiter auslegen sollte. Man kann manche Dinge nachholen, aber nicht ein Abschiednehmen.“

Kleine Trostzeichen 

Verstirbt in der Klinik Roth ein Patient, so ist das Abschiednehmen direkt im Krankenhaus möglich. Auch in Zeiten von Corona, jedoch in engerem Rahmen: Höchstens fünf Personen einschließlich Seelsorger dürften sich im Aussegnungsraum befinden, erläutert Gemeindereferentin und Klinikseelsorgerin Helga Lang. Der Sarg darf geöffnet sein, auch bei verstorbenen Covid-19-Patienten. Wobei hier nur eine „berührungslose Abschiednahme“ erfolgen darf. Was für ein Unterschied zu den „normalen“ Zeiten, in denen sich komplette Großfamilien im Krankenzimmer versammeln, um einem soeben Verstorbenen übers Haar zu streicheln, ein Kreuz auf die Stirn zu zeichnen oder letzte Worte mit auf den Weg zu geben. Üblicherweise gibt es in Roth auch eine Gedenkfeier in der Krankenhauskapelle, die vierteljährlich stattfindet. Lang organisiert sie mit Pastoralreferent Georg Brigl und lädt dazu Menschen aus dem ganzen Dekanat Roth-Schwabach ein, die im Laufe des Quartals einen nahen Angehörigen zu Grabe tragen mussten. Die für April geplante Veranstaltung musste Corona-bedingt abgesagt werden. Die Angehörigen erhielten stattdessen einen „Trostbrief“.

Lang, die über eine Zusatzausbildung zur Trauerbegleiterin verfügt, leistet in diesen Tagen auch telefonische Beratung, die die Diözese von Montag bis Freitag von 16-18 Uhr unter Tel. 08421/750-788 anbietet (siehe KiZ Nr. 16, S. 17). Auch der Schmerz über die fehlende Möglichkeit, ein Requiem für einen Verstorbenen zu halten, kommt dabei zur Sprache, erzählt Lang. Es tue den Zurückbleibenden weh, dass sie „auf die Feier der Eucharistie als Trostquelle nicht zurückgreifen“ könnten. Und sie vermissten die große Trauergemeinde, die zwar nicht den Schmerz nehme, aber ein kleines Trostzeichen sei. 

Manche schildern Lang am Telefon, wie belastend sich die Zeit zwischen dem Tod eines Angehörigen und der Beisetzung hinziehe. Manchmal kann die Urnenbeisetzung noch nicht stattfinden, weil Angehörige sich in Quarantäne oder im Ausland befinden und nicht zurückkommen können. Das Begräbnis sei aber ein notwendiger Schnitt zum Übergang in die Trauerzeit, weiß Lang. Diese habe das Ziel, „dass sich die geschichtliche Existenz eines Menschen umgestaltet zum geistigen Fortleben im Herzen seiner Angehörigen“.        

Lang zählt auf, was in diesen Tagen erschwerend hinzukommt: Angebote der Trauerbegleitung, wie etwa Trauergruppen oder Besinnungstage, entfallen. Orte der Erinnerung, wie etwa das gemeinsame Lieblingscafé, das man mit dem Verstorbenen gern besucht hat, haben geschlossen. Gesten der Anteilnahme von Freunden und Bekannten sind sehr reduziert, ein spontanes In-den-Arm-Nehmen oder eine Einladung zum Tee nicht möglich. „Die Telefonseelsorge für trauernde Menschen will vor allem zuhören“, versichert Lang. „Es ist von heilsamer Bedeutung, dass trauernde Menschen immer und immer wieder von ihren Erfahrungen und ihrem Schmerz sprechen können.“

Bereits einige Debatten

„Wir sitzen zwischen den Stühlen“, stellt Alwin Pfaff fest. Der studierte Theologe ist Inhaber eines Bestattungs-Instituts in Ingolstadt und steht derzeit vor der schwierigen Aufgabe, die infektionsschutzrechtlichen Vorgaben des Freistaats „den trauernden Angehörigen rüberzubringen“. Nicht alle hätten Verständnis für die Maßnahmen, „das fängt mit dem Requiem an“. 

Viele Leute planten schon zu Lebzeiten ihren Abschied, verweist Pfaff auf die mehr als 400 Vorsorge-Verträge, die im Büro seiner Firma hinterlegt sind. Darin sind alle Details der Beerdigung geregelt, „die Angehörigen müssen nur noch kommen“. Aber momentan sei alles anders. 

Bezüglich der stark beschränkten Zahl an Trauergästen habe er schon einige Debatten und „unschöne Situationen“ erlebt, berichtet Pfaff. Am städtischen Friedhof überprüften Aufsichtskräfte die Einhaltung der Vorschriften. Wo es das nicht gebe, „da muss ich selbst darauf achten“. Grundsätzlich rate er seinen Klienten, „der Verwandtschaft von vornherein zu sagen: Bitte nicht kommen“.

Dass der obligatorische Leichenschmaus entfallen muss, „damit könnten die Leute leben“, lautet Pfaffs Erfahrung. Über eventuelle Kaffeekränzchen im kleinen Kreis will er nicht spekulieren, „wir sind keine Geheimpolizei“. 

Überrascht zeigt sich der Bestatter von der großen Zahl an Erdbestattungen, die in diesen Tagen gewünscht werden. Denn eigentlich gäbe es auch die Möglichkeit, die Urne mit der Asche des Verstorbenen aufzubewahren und zu einem späteren Zeitpunkt zu bestatten. Aber viele Menschen wollen diesen Schwebezustand offenbar nicht lang erleben. Und entscheiden sich für eine schnelle Beisetzung – auch unter besonderen Bedingungen.

Gabi Gess, Kirchenzeitung Eichstätt


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